Lehman-Zertifikate: Die Prozesswelle rollt
30.04.2009 | HandelsblattDie Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers hat in Deutschland bis zu 50 000 Anleger getroffen. Über Nacht wurden ihre Zertifikate nahezu wertlos. Die Wut der Kunden richtet sich gegen die Banken. Vor Gericht wollen sie den Instituten Beratungsfehler beweisen. Doch die Lage ist höchst undurchsichtig. Nicht für jeden Anleger ist eine Klage der richtige Weg.
Unter vorstehender Überschrift berichtet das Handelsblatt, dass mehr als ein halbes Jahr nach der Pleite von Lehman Brothers kommt in Deutschland die Klagewelle ins Rollen.
An den Landgerichten, die für alle Fälle ab einem Streitwert über 5 000 Euro zuständig sind, häufen sich die Verfahren. Anlegervertreter rechnen damit, dass in den kommenden Monaten eine vierstellige Zahl von Anlegern gegen ihre Banken klagen werden, weil sie ihnen in den vergangenen Jahren Lehman-Zertifikate verkauft haben.
Erste Urteile geben keine Richtung vor
Ein Fingerzeig für die anstehende Prozessflut ist das Urteil aufgrund des spezifischen Beraterfehlers jedoch nicht. Der Frankfurter Richter sprach vielmehr von einem "absoluten Einzelfall". Für die Masse der Lehman-Anleger, von denen viele noch unsicher sind, ob sie vor Gericht ziehen sollen, bleibt die juristische Ausgangsposition vage: "Keine Seite kann bisher für sich in Anspruch nehmen, auch nur annähernd die Deutungshoheit in dem Fall zu haben", sagt Klaus Nieding, Rechtsanwalt aus Frankfurt, der rund 900 Lehman-Mandate gesammelt hat.
Bei der überwiegenden Zahl der Klagen, die jetzt auf die Gerichte zukommen, sind die Anleger dagegen viel später eingestiegen. Anwalt Klaus Nieding sieht für diese daher vor Gericht deutlich bessere Erfolgsaussichten: "Bereits Ende 2007 sind die Credit Default Swaps, also die Risikoprämien für Lehman-Anleihen, deutlich in die Höhe geschossen. Ab Februar 2008 und erst Recht nach der Notrettung des Konkurrenten Bear Stearns im März gab es dann auch zunehmend negative Medienberichte über die Bank. Spätestens an dieser Stelle hätten Bankberater das Risiko in keinem Gespräch verschweigen dürfen", sagt Nieding.
Banken: "Lehman-Insolvenz war nicht absehbar."
Ein wichtiger Punkt in der Argumentation der Kläger betrifft zudem die Gebührentransparenz der Banken. Diese erzielten mit dem Verkauf der Lehman-Produkte hohe Gewinnmargen von zum Teil mehr als fünf Prozent. "Auf dieses Provisionsinteresse hätten die Institute ihre Kunden zwingend hinweisen müssen", sagt Nieding.
Außergerichtliche Vergleiche können sich lohnen
Aus Sicht der Anwälte kann eine außergerichtliche Lösung für die betroffenen Anleger durchaus eine Alternative sein. Allerdings kommt es auch hier immer auf die Angebote der Banken an, die je nach Einzelfall sehr unterschiedlich ausfallen: "Wenn eine Bank zwei Drittel der Anlagesumme oder mehr bietet, rate ich meinen Kunden zur Annahme", erklärt Anwalt Nieding. Auch wenn Anleger hiermit auf einem Teil der Verluste sitzen bleiben, habe das den Vorteil, dass man sich nicht auf ein ungewisses Spiel auf Zeit einlassen müsse. "90 Prozent der Betroffenen sind im Rentenalter. Denen bringt es nichts, wenn ich bis zum BGH gehe und sie womöglich erst in acht Jahren Geld erhalten."�